Die Zeitschleife

 
Die Zeitschleife
Dezember 2010

„Oxford hat bescheidene Einwohner. Wer hier wohnt, ist edel angezogen und lebt auch genauso. So gibt es nichts großartiges in der Kleinstadt. Das einzige was Menschen aus anderen Städten hierher bewegt ist der Friedhof, wo wöchentlich viele Leute beerdigt werden. Die letzte Ehre in so einer kleinen Stadt ist das wichtigste für die Trauernden.
Weil die Stadt nicht mit besonderen Clubs oder auch Discos wie andere Städte prahlen können, lassen sich zwei jungen Einwohner von Oxford auf dem Friedhof nieder wo sie jeden Sonntag zum Gottesdienst - meistens auch mit einer Beerdigung - mittrauern wollen. Die Rede ist von zwei Jugendlichen, die erstmal 15 Jahre alt sind. 
Edward, der gepflegte, kleine aber armer Schüler. Er trägt meistens einen Wollkragen Pullover und dazu eine schwarze Jeans. Mit seinen schwarzen Haaren würde er nicht besonders auffallen, aber er kann mit seinen hellblauen Augen prahlen, die zu seinen Haaren nicht passen. Jerry, ebenfalls ein sehr gepflegter Schüler der selben Schule ist auch ein Stammgast der Gottesdienste. Im Gegensatz zu Edward trägt er gerne bunte Farben an Klamotten und fällt gerne auf. Die blauen Augen und hellblonden Haaren unterstreichen dies zu einer passenden Mischung. Er ist der perfekte Frauenschwarm und auch noch vergleichbar mit Justin Bieber, dem Teenie Star.
Der heutige Gottesdienst beinhaltet mal wieder eine Beerdigung. Im Oxforder Tagesblatt wurde die ganze Stadt dazu eingeladen, einen Marsch zum Friedhof zu unternehmen, denn diesmal wird keine Person beerdigt, die das Leben bereits ausgenutzt hat, sondern ein kleiner Junge. Lukas - so hieß der Junge - wurde vor knapp einem Monat angefahren, als er mit seinem neuem knallgelben Biene Maja Fahrrad unterwegs war, von einem Freund wieder nach Hause. Die ersten Reihen sind bereits schon besetzt worden, scheint so, als wäre die Familie vollzählig anwesend. Ich konnte eben ein kleines Gespräch mitbekommen, wie sich die Mutter beschwerte, dass nicht mal der Fahrer vorbei gekommen ist, obwohl er gebeten worden ist, zu kommen. Die Sitzbänke stehen vor dem Grab von Lukas. Die Strahlen der Sonne brachte doch noch ein fröhliches Wetter hinzu. Die bunten Blumen erleuchten bei diesem Wetter und die Pracht der Bienen die an den Blüten sitzen kommen zur Geltung. Ich schaue mir dies mal wieder von meinem Stammplatz an. Dem neben liegendem Restaurant. Ein wunderschöner Speisesaal mit einem angrenzendem Balkon, wo ich stehe. Oh, verzeiht mir! Mensch, bin ich unhöflich. Natürlich muss ich mich auch mal vorstellen, denn ich erzähle euch diese Geschichte und ihr wisst nicht mal meinen Namen. Mein Name ist Steve, Steve Barrun. Ich bin ein ganz normaler englischer Junge auch aus Oxford. Wohnhaft bin ich aber nicht aus dem edleren Viertel, denn ich bin einfach nur normal. Na ja, normal ist gut, denn ich habe die gleiche Angewohnheit wie Edward und Jerry. Jeden Sonntag hier oben stehen. Seit dem letzten Jahr wurde der Friedhof immer mehr ein Treffpunkt für die Jugend, denn seither sind die Cherrys weg. Die Cherrys waren ätzenden Leuten, die neben dem Friedhof wohnten. Mr. Cherry hatte man nie gesehen, der war wohl immer vor der Glotze und ließ seine Frau ruhig machen. Denn Mrs. Cherry stand immer am Fenster und lehnte ihren Ellenbogen auf ihre Fensterbank aus. Dort lag immer ihr selbst gestricktes Kissen.

Nach dem Gottesdienst habe ich beschlossen, ab sofort mich nicht mehr auf den Friedhöfen rum zutreiben, denn mich hat es sehr getroffen. An dieser Beerdigung konnte ich es einfach nicht fassen, wie betrunkene Leute, die wissen, dass sie die Schul tragen, einfach nicht mal dazu kommen. Das wäre doch das mindeste gewesen! Eduard ist mir heute aber auch aufgefallen. Ehrlich gesagt hat er heute überhaupt nicht aufgepasst. Er sieht lieber andere Leute an, beobachtet Bienen wie diese auf den Blumen ihr Honig saugen und glotze die ganze Zeit Jerry an, wie dieser gegen die Sonnenstrahlen kämpft, wenn mal keine Wolke am Himmel ist. Jede Woche Sonntag findet man auch immer den selben Priester auf. Und nicht nur das, denn den Anfang der Predigt hat er auch immer den gleichen, ich kann ihn ja schon fast auswendig: „Sehr geehrte Angehörige, sehr geehrte Trauergäste, ich weiß wie sehr sie trauen müssen.. bla bla bla.“ Für die beiden Friedhofjungen scheint es so, als wäre es für sie langweilig. Edward schaut immer noch Jerry zu wie dieser völlig vertieft in seinen Tagesträumen ist, da er durch die Sonne eh nichts sehen kann. Jeder Schüler aus unserer Schule - der Oxforder Comprehensive School - weiß, das Edward nicht aus einem wohlhabendem Haus kommt, sondern eher aus einer armen Familie. Was ihn wohl auch noch traurig macht, ist, dass er an der Schule gemobbt wird, weil er schwul ist. Mir persönlich macht das nichts aus, denn ich respektiere sogar sehr diese Menschen, die sich darüber geoutet haben. Nicht jeder kann so viel Mut beweisen und auch noch dazu stehen. Jerry ist dabei anderer Meinung. Er findet schwul so ekelhaft, dass er auf dem Friedhof immer drei Bänke weiter weg sitzt, als Edward. Hauptsache weg von ihm. Nach etwa 3 Stunden, wie eigentlich jede Woche beendet der Priester erschöpft den Gottesdienst. Man kann jeder Person einzeln ansehen, wie hart es doch ist, wenn man nur mal nachdenkt, wie schlimm kann Gott doch sein, wer zulässt, dass ein kleines Kind verunglückt. Anschließend treffen sich die Gäste des Gottesdienstes im Restaurant. Edward bleibt bewusst auf seiner Platz sitzen, denn er weiß, dass Jerry an ihm vorbei muss, wenn er entweder zum Speisen will oder weg vom Friedhof. Meine Augen werden größer und mein Herz pocht schneller. Ich bin voller Aufregung und will jetzt mal sehen, was da passiert. Was passiert ist nicht zu fassen! Jerry versucht ohne Blicke an Edward vorbeizulaufen, doch er wird fest gehalten. Edward nimmt seine Hände ganz leicht an die Wangen von Jerry und geht immer näher an den Kopf. Mit einem freudigen Gefühl küsst er ihn und auf einen Schlag schließe ich meine Augen, denn ein heller Blitz kracht neben Jerry und Edward ein. Er ist so hell und lauter als ein Start einer Rakete. Langsam öffne ich meine Augen und schaue um mich. Mein Herz pocht wieder mal schnell und ich fühle mich nicht mehr wohl. Ich stehe immer noch auf dem Balkon, drehe mich um und bin fassungslos. Ich sehe den Priester, der gerade um Ruhe erhofft, denn er will mit seiner Predigt für Lukas anfangen. Total perplex laufe ich hinaus zu einem Trauergast. Ich gehe zu einer älteren Dame. Sie trägt ein wohl sehr edles Kleid und ein teures Amulett. Scheint so, als kommt sie von hier. Ich frage, wie viele Uhr wir hätten und ich kann es nicht glauben. Mit der angemeckerten Antwort weiß ich wenigstens, das ich nicht träume und tatsächlich wieder drei Stunden vorgespult wurde. Doch wie geht das? Ich lasse mich halt einfach mal drauf ein!

Alles verläuft wie schon beim ersten Mal. Edward beobachtet Jerry wie dieser von der Sonne geblendet wird. Zum Ende stehe ich wieder oben auf dem Balkon, beherrsche wieder dieses mulmige Gefühl und dann kracht es wieder. Ich öffne wieder meine Augen und denke „Nicht schon wieder..“ Wieder frage ich die Dame mit dem teueren Amulett, wie lange die Trauerfeier denn schon andauert und wiederholt antwortet sie mir mit dieser angemeckerten Stimme. Erst jetzt ist mir klar, dass ich wohl in einer Zeitschleife stecke, die immer von vorne beginnt, wenn es zu einem Kuss zwischen Edward und Jerry kommt. Man fühle ich mich komisch. So was träumt man, oder so was kommt in Filmen vor, aber doch nicht in meiner Realität! Also überlege ich mir, wie ich diesen Kuss verhindern kann. Ich könnte einen der beiden umbringen oder einen auf der Toilette einschließen. Aber dann kommt das in meine Polizeiakte und der Traumberuf Polizist wäre hin. Total aufgeregt laufe ich in Richtung Edward, als dieser am Ende des Gottesdienstes wieder auf Jerry wartet. Mein Schritttempo wird immer langsamer. Edward bemerkt mich gar nicht, denn er ist total in Jerry vertieft. Ich stehe vor ihm. Mit meinen zitternden Händen nehme ich ihn an den Backen und küsse ihn. Ich küsse einen Jungen! Jerry ist abgelenkt, dass er an uns vorbeihuschte und Edward gar keine Chance für einen Kuss mit ihm hatte. Allerdings nahm ich auch den schnellsten Weg nach Hause, denn ich kann mir schon denken, wie die Gerüchteküche durch Jerry in der Schule losläuft.
Zu Hause bemerkt meine Mutter, dass etwas mit mir nicht stimmt. Denn ich war oft in Träumen versetzt, was bei mir der Normalfall ist, wenn etwas Verwunderliches geschehen ist. Ich kann aber nicht meiner Mutter stolz erzählen, dass ich heute einen Jungen geküsst habe. Ich will sie ja nicht verletzen. Sie spricht mir zu: „Ach das wird schon“. Genau mit diesem Satz mampf ich meinen Schokoladen Pudding weg, den es zum Nachtisch gibt. Den selben Satz vom Vortag dachte ich mir am Tag danach auch, als ich von Schülern nur Beleidigungen gehört hatte. 

Erst jetzt verstehe ich, wieso es wichtig ist tolerant zu sein. Jeder Mensch möchte doch ein Leben haben, woran er sein Spaß und Glauben hat. Wer will schon morgens aufwachen und sich nicht auf den Tag freuen. Mit Qualen in den Tag gehen. Ein paar Tage habe ich diese Geschichte an unseren Schulleiter geschrieben der direkt einige Einladungen an Eltern vieler Schüler schrieb. Er wollte, dass ich meine Geschichte in der Aula vorlese und präsentiere, so dass die Eltern sich mal mit ihren Kindern zusammensetzen und Toleranz erklären! Mein Name ist Steve Barrun und dies war meine Geschichte!“

Steve klappt sein Heft zusammen, atmet einmal aus und denkt: „Puh!“ „APPLAUS“ schreien die Zuhörer. Die Jubel und das laute Klatsche in der Aula brachte den kleiner Schreiber zur großen Freude. Er hätte niemals gedacht, dass seine Geschichte über Toleranz so gut ankommt.. 
 

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